Leonard Bernstein – zum 100. Geburtstag

Er war wohl einer der genialsten Musiker des 20. Jahrhunderts, erfolgreich als Komponist („West Side Story“), Pianist und Dirigent. Am 25. August würde Leonard Bernstein seinen 100. Geburtstag feiern – leider ist dieser großartige Künstler schon am 14. Oktober 1990 – mit nur 72 Jahren – an akutem Herzversagen infolge einer Krebserkrankung gestorben.

Was können wir aus seinem Horoskop ablesen? Wie zeigt sich die Musikalität, das kreative Schaffen? Wie die private Veranlagung?

Wenn wir die Elemente-Verteilung in dieser Radix betrachten, fällt uns auf, dass Wasser und Feuer überwiegen, wobei es auch einiges an Erde gibt. Das bedeutet also viel Leidenschaft, Emotionalität, Intuition und Mitgefühl, und gleichzeitig eine enorme Aktivität, Begeisterungsfreude und intensives Handeln, sowie eine starke Verbundenheit mit anderen Menschen (der 3. Quadrant ist mit 6 Planeten betont).

Mit dem Aszendent in Skorpion wirkt Bernstein auf seine Mitmenschen tiefgründig, engagiert und leidenschaftlich. Er strahlt Intensität und Zähigkeit aus sowie die Bereitschaft, sich voll und ganz auf etwas einzulassen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Diese charismatische, beinahe magische Ausstrahlung wird jeder bestätigen, der den Dirigenten Bernstein erlebt hat, sei es als Freund, Musiker oder als Zuhörer. Sein Einsatz bei einem Konzert war immer zweihundertprozentig, er verausgabte sich in seiner musikalischen Einfühlsamkeit wie auch in der körperlichen Anstrengung des Dirigierens.

Der Geburtsherr Pluto steht in seinem eigenen, dem 8. Haus, im Zeichen Krebs, das für die gesamte damalige Generation galt, und in Konjunktion mit Jupiter. Dieses Brennen für alles, was er tat, diese geballte Kraft und Maßlosigkeit, die sich nicht mit Mittelmäßigkeit und Banalität begnügt, sondern das Leben voll ausschöpfen will und leidenschaftlich nach einem Sinn sucht, liegt wohl in dieser Konstellation begründet. Diese lässt ihn vielleicht nie ganz zur Ruhe kommen, verleiht ihm aber auch eine starke Überzeugungskraft, Charisma sowie Mut und Energie, um Aussergewöhnliches zu erreichen. Da Jupiter in Krebs erhöht steht, macht ihn dieser Aspekt auch sehr beliebt, er kommt trotz seiner Unbestechlichkeit und Kompromisslosigkeit bei anderen sehr gut an, die seine positive Seite sehen, ihn schätzen und mögen.

Doch wo bleibt das künstlerische Element? Wie äussert sich dieses im Horoskop?

Nun, schauen wir uns zunächst den Mond an, der in Widder im 5. Haus steht. Die Mond-Stellung in einem Feuer-Zeichen lässt sicherlich auf Kreativität schliessen, hier besteht ein tiefes Bedürfnis, etwas Besonderes zu sein und zu erleben, es gibt eine reiche Vorstellungskraft, der oft schöpferisch Ausdruck verliehen wird, sowie instinktive Versuche, die materielle Wirklichkeit mit Dramatik und Phantasie zu beleben. Im Zeichen Widder kommt die Mond-Energie heiss und leidenschaftlich zum Ausdruck, sie macht Bernstein temperamentvoll und in gewisser Weise naiv und begeisterungsfähig, doch wahrscheinlich auch leicht reizbar und sogar „aufreizend“. Er fühlt sich wohl, wenn er in seiner Umgebung anregend und aktivierend wirken kann, sucht aber auch Beachtung und ist sehr ungeduldig und neugierig, wie Orchestermusiker, die mit gearbeitet haben, wohl wissen.

Im 5. Haus kann sich die Kreativität auf höchstem Niveau entfalten, hier gibt es nicht nur das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, sondern auch danach, die spielerische Seite des Lebens mit all ihren kreativen Ausdrucksmöglichkeiten auszukosten, um daraus Kraft und Energie zu schöpfen. Aber auch der Umgang mit Kindern und Jugendlichen, gepaart mit pädagogischem Talent und Einfühlsamkeit, hat, wie wir wissen, sein Leben wesentlich bereichert. Zwischen 1958 und 1972 leitete er zahlreiche „Konzerte für junge Leute“ in der gleichnamigen Fernsehreihe, in der er Grundbegriffe der klassischen Musik vermittelte und verschiedene Komponisten und deren Werke vorstellte. Mit seinem Charisma, seiner großen Sprachbegabung und seinem Humor konnte er gleichermaßen Kinder wie Erwachsene fesseln.

Zudem ist der Mond in ein grosses Trigon mit Saturn und dem aufsteigenden Mondknoten eingebunden, sodass die kreative Kraft leicht fliessen und erfolgreich integriert werden kann. Saturn verleiht der überschiessenden und vor Lebensenergie strotzenden Widder-Kraft eine gewisse Disziplin und Realitätsbezogenheit, sodass die emotionalen und kreativen Bedürfnisse in angemessener Weise und zum Wohle des eigenen Selbstausdrucks (Mondknoten in 1) verwirklicht werden können. Sein Interesse und seine Begeisterung für fremde Kulturen und die Erschliessung neuer Horizonte hat Bernstein immer wieder zum Ausdruck gebracht. Er brachte aber auch die Verbindung zwischen Traditionellem und Neuem zustande, wie sie durch die Opposition zwischen Saturn und Uranus angezeigt ist. Davon zeugen verschiedene Kompositionen, die seiner jüdischen Herkunft geschuldet sind, jedoch z.B. alte Psalmen auf moderne Weise wiedergeben. Nicht zuletzt brachte seine intensive Auseinandersetzung und aufregende Neu-Interpretation der Werke der damals beinahe vergessenen österreichischen Komponisten Anton Bruckner und Gustav Mahler diese der Öffentlichkeit wieder näher.

Uranus im Quadrat zum Aszendenten ist ein Hinweis auf Bernsteins Eigenwilligkeit und sein teilweise exzentrisches Verhalten. Er ging seinen Weg, ohne sich darum zu kümmern, ob er damit aneckte oder nicht. So deklarierte er sich – auch musikalisch – als Fan des US-Präsidenten John F. Kennedy ebenso wie als Kritiker von Richard Nixon und dessen Watergate-Affäre, wie er in dem Musical „1600 Pennsylvania Avenue“ aufzeigte. Das Werk wurde vom Publikum eher ablehnend aufgenommen, offenbar war die Zeit noch nicht reif, wie Bernsteins Tochter vermutete.

Der Spannungs-Aspekt zwischen Uranus und dem Aszendenten sagt auch viel über die Ruhelosigkeit des Künstlers aus, der sich zwischen einem enormen Freiheitsbedürfnis einerseits und Verantwortungsbewusstsein andererseits hin- und hergerissen fühlen musste (T-Quadrat Saturn-Aszendent-Uranus), viele ungewöhnliche Pläne hatte und rastlos in seiner Schaffenskraft war.

Wenden wir uns nun der Sonne zu, die in der Astrologie den zentralen Wesenskern eines Menschen symbolisiert. Die Sonne steht in Bernsteins Radix im Erd-Zeichen Jungfrau und gibt ihm zu all seiner Kreativität, Schaffenskraft und Einfühlsamkeit einen Sinn für das Machbare und auch für Details, was ihm nicht nur beim Komponieren zugute kam, sondern auch beim Studieren von Partituren. Es ist bekannt, dass Leonard Bernstein sich beispielsweise sehr gründlich in die Partitur (und auch das von Wagner verfasste deutsche Libretto) der Oper „Tristan und Isolde“ vertiefte, um dem Wesen dieses „zentralen Werkes der Musikgeschichte“ in seinem Dirigat gerecht werden zu können, wofür er vom ausgewiesenen Wagner-Experten Karl Böhm auch entsprechend gewürdigt wurde, der meinte, dass „dass dieses so gespielt worden sei, als ob es Wagner dirigiert hätte“ (Humphrey Burton: Leonard Bernstein, New York 1994, S. 462).

Sorgfalt, Gründlichkeit und Liebe für das Detail waren Bernstein vor allem in seinem Berufsleben sehr wichtig (MC Jungfrau), und er war bereit, auch einiges dafür zu leisten, um als Persönlichkeit und Autorität auf seinem Gebiet geachtet zu werden und seine ganze Strahlkraft entfalten zu können (Sonne Konjunktion MC). Mit seiner beruflichen Laufbahn und deren gesellschaftlichen Zielen und Normen konnte sich Bernstein ja komplett identifizieren, sodass ihm ein selbstbewusstes und sicheres Auftreten nicht schwer fiel. Gleichzeitig stand ihm für die Verwirklichung seiner beruflichen Vorhaben sehr viel Energie zur Verfügung (Mars Sextil MC). Die Konjunktion der Sonne im 9. Haus mit dem MC machte Bernstein aber auch eitel und gefallsüchtig; Auffallen und Beachtetwerden um jeden Preis, schien manchmal die Devise zu sein. Dass seine Tätigkeit mit einer intensiven Reisetätigkeit verbunden war und sich auf die ganze Welt ausdehnte (mit Schwerpunkten in den USA, in Deutschland und Österreich), ist wohl der Sonne im 9. Haus geschuldet.

Ausserdem steht der MC-Herrscher Merkur im eigenen Zeichen Jungfrau im 10. Haus, er ist Bernsteins bester Planet und drückt aus, dass der Beruf des Musikers in allen Facetten seine wahre Berufung war, der er alles andere unterordnete.

Dennoch war Leonard Bernstein kein Mensch, der in der Einsamkeit oder im „Elfenbeinturm“ wirkte, sondern einer, der sehr begegnungsorientiert und auch den vielfältigen Genüssen des Lebens durchaus aufgeschlossen war. Im Privatleben war er mit der aus Chile stammenden Schauspielerin Felicia Montealegre verheiratet und hatte mir ihr 3 Kinder. Es war aber – vor allem in der Musikwelt – ein offenes Geheimnis, dass Bernstein vielerlei Affären hatte, auch homosexuelle. Als dies auch seiner Frau bekannt wurde, trennte sich das Paar Mitte der 1970-er Jahre. Daraufhin lebte Bernstein mit seinem Assistenten Tom Cothran zusammen, kehrte jedoch zu seiner Frau zurück, als diese todkrank wurde, und blieb bis zu ihrem Tod 1978 bei ihr. Chiron im 4. Haus zeigt wohl den wunden Punkt hinsichtlich der Familie auf.

In der Liebe wie in der Kunst war Bernstein exaltiert und grenzenlos. Seine Löwe-Venus in Konjunktion mit Neptun im 9. Haus ist ein deutlicher Hinweis darauf. Im Zeichen Löwe zeigt sich die Venus leidenschaftlich, anspruchsvoll, grosszügig und dem Luxus nicht abgeneigt. Sie bildet ein Quadrat zu Mars, dem alten Skorpion-Herrscher, der selbst in Skorpion und im 12. Haus steht, was Beziehungen teilweise kompliziert und spannungsgeladen macht. Seine intensiven und leidenschaftlichen Affären hat Bernstein zunächst im Geheimen ausgelebt, wobei er seinen sexuellen Vorlieben und Begierden später immer offener nachgab. Seine Tochter Jamie beschrieb ihren Vater als einen Menschen, dessen Sexualität ihn wie eine Aura umgab und ständig spürbar war, obwohl sie ihn nie als schwul gesehen hatte und von seiner Homosexualität erst im Erwachsenenalter erfuhr. Der an sich stark stehende Mars könnte durch die Stellung im 12. Haus sowie durch das Quadrat zu Neptun geschwächt sein, was als Hinweis auf Homosexualität gedeutet werden könnte. Nicht alle Männer mit einer solchen Konstellation geben diesem Bedürfnis nach, sondern verhalten sich im Gegenteil besonders hart und männlich. Als Künstler konnte Bernstein selbstverständlich eher ein nonkonformistisches Leben führen, als er es in einem „bürgerlichen Beruf“ vermocht hätte.

Mars-Neptun als Spannungsaspekt verführt aber bekanntermaßen auch zur Sucht. Bernstein war Zeit seines Lebens ein starker Raucher, und im Lauf der Zeit kam auch ein beträchtlicher Alkoholkonsum dazu. Er war eben maßlos in vielerlei Hinsicht, im Leben, in der Liebe und in der Kunst. Wie eine Kerze, die an zwei Enden brennt, so lebte er sein Leben, intensiv, rastlos, sich verausgabend und alles voll auskostend. Dieser exzessive Lebensstil floss zwar in seinen Künstler-Beruf ein (Glücksdach zwischen Mars-MC-Jupiter/Pluto), doch er hatte seinen Preis: Lungenkrebs, der den genialen Musiker mit nur 72 Jahren hinwegraffte. Er hat uns grossartige Kompositionen hinterlassen, wie „West Side Story“, „Candide“, mehrere symphonische Werke und Kammermusik, und auch seine Interpretation bedeutsamer Komponisten wie Beethoven, Brahms, Bruckner, Mahler oder Wagner bleiben Meilensteine der klassischen Musik-Rezeption, die wir mit Dankbarkeit annehmen und somit Leonard Bernstein zu seinem 100. Geburtstag unsere Reverenz erweisen wollen.