Millionen von Frauen auf der ganzen Welt durften sich ab den 1960-er Jahren an unbeschwerterer, freierer Sexualität erfreuen – das Kontrazeptivum, auch Anti-Baby-Pille, genannte Hormonprodukt erlaubte ihnen, selbst zu bestimmen, ob und wann sie Nachwuchs wollten. Eine (ungewollte) Schwangerschaft war nicht mehr automatisch das Risiko jedes Geschlechtsverkehrs, wie es bis dahin durch die Jahrhunderte der Fall gewesen war.
Maßgeblich zur Entwicklung der Pille beigetragen hat der österreichisch-bulgarisch-amerikanische Chemiker Carl Djerassi, der am 29. Oktober 2023 hundert Jahre alt geworden wäre.
Geboren am 29. Oktober 1923 in Wien als Sohn eines nicht-religiösen jüdischen Ärzte-Ehepaars (der Vater stammte aus Bulgarien, die Mutter war Wienerin), wuchs Djerassi in Sofia und Wien auf. Nach der Scheidung der Eltern ging die Mutter mit dem Fünfjährigen nach Wien zurück. Als mit dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 das Leben der jüdischen Bevölkerung unerträglich und gefährlich wurde, heiratete der bulgarische Vater seine Ex-Frau noch einmal, um ihr mit dem Sohn die Ausreise aus Österreich nach Sofia zu ermöglichen. 1939 emigrierten Mutter und Sohn von Bulgarien aus in die USA. In jenem Jahr in Sofia besuchte Carl ein amerikanisches College und lernte englisch. Dieser College-Besuch ermöglichte es dem 16-Jährigen – u.a. durch die Unterstützung von Eleanor Roosevelt – auch in den USA ein College zu besuchen. Danach studierte Djerassi Chemie an der University of Wisconsin und promovierte 1945. Im selben Jahr erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft.
Anfang der 1950-er Jahre forschte Djerassi bei dem in Mexico City ansässigen Pharma-Unternehmen Syntax, wo es ihm gelang, das Sexualhormon Progesteron künstlich herzustellen. Später entwickelte er daraus zusammen mit anderen Chemikern ein hormonelles Verhütungsmittel. In der Zusammensetzung mit synthetischem Östrogen wurde auf diese Weise erreicht, den Eisprung der Frau zu unterdrücken und eine Schwangerschaft zu verhindern. 1960 wurde dieses Verhütungsmittel erstmals in den USA zugelassen.
Die Bezeichnung „Anti-Babypille“ lehnte Djerassi allerdings ab, denn ihm ging es nicht darum, ein Mittel gegen Babys zu schaffen, sondern damit zur Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der Frau beizutragen. Aus diesem Grund wollte er auch keine „Pille für Männer“ entwickeln, da es dann wieder die Männer gewesen wären, die über den Körper einer Frau (Schwangerschaft ja oder nein) bestimmt hätten. Er wurde als „Vater der Pille“ bezeichnet, gab seiner Autobiographie jedoch den Titel „Mutter der Pille“. Er sah einen Chemiker/eine Chemikerin grundsätzlich als Mutter eines medizinischen Präparats an, da die Substanz, ähnlich wie die Eizelle der Frau, „zur Verfügung gestellt“ wurde, um etwas zu schaffen.
In späteren Jahren lehnte Djerassi, der rund 1200 wissenschaftliche Veröffentlichungen vorweisen konnte, auch diese Bezeichnung ab, da ja nicht er allein für die Erforschung und Herstellung der Pille verantwortlich war.
Wenn wir uns Djerassis Horoskop ansehen, können wir auf einen Blick feststellen, warum ihm Frauen – sowohl privat wie auch im Berufsleben – so besonders wichtig waren: der Mond, der für die Mutter und das Weibliche überhaupt steht, befindet sich in Zwillinge an der höchsten Stelle des Horoskops und ist durch Aspekte mit den meisten anderen Planeten oder Achsen verbunden, wodurch er höchste Bedeutung erlangt. Die Stellung in Zwillinge macht ihn extrem neugierig, umtriebig, clever und kontaktfreudig. Sicherheit und Geborgenheit findet er am ehesten durch Zuhören und die Befriedigung seines Wissensdurstes. Wohlfühleffekte stellen sich ein durch Kommunikation, Austausch, Beweglichkeit und intellektuelle Tätigkeiten.
Ein Zwillinge-Mond wirkt vielleicht emotionaler, als er wirklich ist, doch dürfen wir Djerassi mit seiner Skorpion-Betonung (Sonne, Venus, Jupiter) schon auch tiefe und intensive Gefühle zugestehen, die er nicht nur für Frauen empfindet, sondern auch für seine Forschungsarbeit, wie es einem Skorpion wohl ansteht.
Der Löwe-Aszendent weist auf einen Menschen, der selbstbewusst, würdevoll, stolz und grosszügig ist, gerne im Mittelpunkt steht und bewundert werden will. Mit der Sonne als Geburtsherrin in Skorpion im 3. Haus hat er sich mit Haut und Haaren der Forschung verschrieben, über die er gerne berichtet (siehe seine zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen). Auch Merkur in Konjunktion mit Saturn befindet sich im 3. Haus, allerdings noch im Luftzeichen Waage. Das weist auf konzentriertes Denken hin, auf punktgenaues Fokussieren, mit dem er seine Untersuchungen exakt und verantwortungsbewusst durchführt und entsprechende Regeln aufstellt. Merkur in Waage symbolisiert einen schönen Sprachstil, ein feines Spiel mit Worten, eine freundliche, diplomatische Ausdrucksweise, in der sich selbst deutliche Kritik nicht verletzend anhört. Auch der Gerechtigkeitssinn ist stark ausgeprägt.
Der Mond ist Teil eines Glücksdaches mit Merkur/Saturn und dem AC/Neptun. Djerassi fällt es leicht, über diese seine Forschungen, die Frauenthemen betreffen (Mond), zu berichten (Merkur/Saturn) und sich persönlich zu profilieren (AC). Neptun am AC könnte zwar die Selbstwahrnehmung verschleiern, ihn aber auch besonders feinfühlig und kreativ machen. Tatsächlich hat Djerassi schon früh ein großes Interesse an Kunst gezeigt, diese gesammelt und später eine Stiftung für KünstlerInnen ins Leben gerufen. In seinen späteren Jahren hat er zudem mehrere Romane veröffentlicht. Neptun steht zwar in Konjunktion mit dem Aszendenten, aber technisch noch im 12. Haus, was auf ein Gefühl der Heimatlosigkeit hindeutet. Andererseits ist der Zwillinge-Mond gerne unterwegs und wechselt häufig die Wohnsitze.
Ein zweites Glücksdach finden wir zwischen Uranus, Pluto und dem MC, und das beweist, dass er sich mit seinen neuen chemischen Forschungen (Uranus in Fische in 8) zur weiblichen Sexualität (Pluto in Krebs in 11) beruflich erfolgreich durchsetzt (MC) und damit nicht nur seinen Selbstwert steigert (MC Stier), sondern auch den Frauen zur Selbstbestimmtheit verhilft (Lilith Konjunktion MC). Außerdem kann er mit dieser Konstellation machtvolle Veränderungen leicht und erfolgreich durchsetzen.
Diese Verbindung von Transsaturniern (Uranus, Neptun, Pluto) zu den Hauptachsen weist darauf hin, dass dieser Mensch durch sein Wirken gesellschaftliche Relevanz erreicht. Pluto im Trigon zu Uranus könnte auch so verstanden werden, dass Djerassi durch seine Forschungen plötzlich zu Geld und Ruhm gekommen ist. Allerdings waren nicht die Patente auf die Entwicklung der Pille dafür ausschlaggebend (die gehörten nämlich dem Pharmaunternehmen, für das er damals tätig war), sondern dass er gleich zu Beginn, als das mexikanische Unternehmen, das später vom Pharmariesen Roche übernommen wurde, noch ein Noname war, eine Anzahl Aktien davon gekauft hat, die später Goldes wert waren. Das ermöglichte ihm den Aufbau einer bedeutenden Kunstsammlung, vor allem mit Werken von Paul Klee, die er nach seinem Ableben je zur Hälfte dem San Francisco Museum of Modern Art (in San Francisco verbrachte er seine letzten Lebensjahrzehnte) und der Albertina in seiner Geburtsstadt Wien schenkte.
Ein beachtenswertes Kapitel in Djerassis Leben stellt sicherlich seine Beziehung zu Frauen dar. Von der Mutter gefördert und behütet (Jupiter in 4), wurde ihm im Leben vieles erleichtert. Diese Mutter verhielt sich im amerikanischen Exil seinen eigenen Worten zufolge jedoch extrem klammernd und bestimmend (Pluto als Herr von 4 in Krebs), sodass er sich von ihr distanzieren und seinen eigenen Weg gehen musste (Herr von 4 und Mond in 11). Djerassi war dreimal verheiratet – die Ursachen für zwei Scheidungen sind mir weitgehend unbekannt. Für die erste Scheidung machte er in einem Interview („Hörbilder spezial“ auf Ö1 am 26. Oktober 2023) seine Mutter verantwortlich, die sich seiner ersten Frau gegenüber sehr feindselig verhalten habe, was die Ehe letztendlich zum Scheitern brachte. In zweiter Ehe war er 26 Jahre verheiratet, aus dieser gingen 2 Kinder hervor. Als seine Tochter, eine Künstlerin, die seit längerem an schweren Depressionen gelitten hatte, 1978 Selbstmord beging, löste das in Djerassi eine Lebenskrise aus. Astrologisch hatte Transit-Uranus das Radix-IC erreicht – und eine plötzliche Disruption in der Familie angezeigt. Auch das Quadrat des transitierenden auf den Radix-Pluto weist auf eine massive Krise in der Familie hin (Pluto ist Herr von 4). Und Transit-Saturn hat den AC erreicht: eine – oft endgültige – Trennung. Trost erhielt Djerassi damals von seiner späteren dritten Frau, der Literatur-Professorin Diane Middlebrook, die ausschlaggebend für seine spätere schriftstellerische Tätigkeit war.
Angelegt ist dieses Talent natürlich schon in der Radix: das betonte 3. Haus, das Quadrat zwischen Venus und Neptun, das künstlerische Ambitionen verrät, auch Mond Sextil Neptun zeigt viel kreative Phantasie.
Mitte der 1980-er Jahre begann Djerassi, Lyrik und Prosa zu veröffentlichen; er verfasste mehrere Romane und Theaterstücke. In vielen seiner Werke setzt er sich mit dem Judentum, dem Wissenschaftsbetrieb und dem Kampf um Anerkennung auseinander. 2004 wurde ihm die österreichische Staatsbürgerschaft „im Republikinteresse“ verliehen, welche ihm als Kind eines bulgarischen Vaters in den 1930-er Jahren nicht zugestanden worden war.
Carl Djerassi starb am 30. Jänner 2015 im Alter von 91 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. Seine dritte Ehefrau, die bereits 2007 gestorben war, hatte er somit um 8 Jahre überlebt.
Von der katholischen Kirche und anderen Konfessionen wurde die Pille als Verhütungsmethode kategorisch abgelehnt und in den Anfangsjahren in den USA aus moralischen Gründen auch nur verheirateten Frauen verschrieben. Alice Schwarzer hingegen nannte die Pille „einen Meilenstein in der Geschichte der Emanzipation der Frauen“. Auch wenn in den letzten Jahren vermehrt Kritik an der Pille aufgekommen ist, weil sie hormonelle Veränderungen im weiblichen Körper bewirkt und unterschiedliche Nebenwirkungen hervorruft, so dürfen wir doch nicht vergessen, dass diese Pille unzähligen Frauen eine „Geburtenkontrolle“ mittels einer oft lebensgefährlichen Abtreibung (die noch dazu in vielen Ländern verboten war oder immer noch ist) ersparte. Das haben wir unter anderem Carl Djerassi zu verdanken, weswegen wir seines 100. Geburtstages mit Anerkennung gedenken wollen.